15 August 2023

Wann zahlt die Krankenkasse für deinen Privatarzt bei psychischen Erkrankungen?

Wichtiger Hinweis: Dieser Text stellt explizit keine Rechtsberatung oder Ähnliches dar.
Ich bin weder Rechtsanwalt noch habe ich eine andere juristische Ausbildung.
Der Beitrag ist eine Meinungsäußerung nach bestem Wissen und Gewissen und dient zur Orientierung in diesem schwierigen Feld.


Hallo liebe Leserinnen und Leser! Schon mal darüber nachgedacht, unter welchen Umständen die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) für den Besuch beim Privatarzt aufkommt, besonders wenn es um psychische Erkrankungen geht? Klingt kompliziert? Keine Sorge, wir tauchen gemeinsam in die Welt der Paragrafen und Gesetze ein, um das Ganze zu entschlüsseln. Ich werde mein Bestes geben, um das Thema so locker und verständlich wie möglich zu präsentieren.

Also, schnapp dir eine Tasse Kaffee, mach es dir bequem und lass uns gemeinsam herausfinden, wie dieses ganze Kassensystem eigentlich tickt! Bereit? Dann los!

Sicherstellung der Versorgung – Wer ist wofür verantwortlich?

Wir steigen gleich mit dem wichtigsten Punkt ein. Gesetzlich ist geregelt, dass die ärztliche Versorgung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen sicherzustellen ist. Die ärztliche Versorgung? Wenn das der Wortlaut wäre, würde ich mich ab hier schon wieder verabschieden. Genau genommen wird von der Vertragsärztliche Versorgung gesprochen. Das erklärt auch das häufige Problem, auf welches Betroffene von psychische Erkrankungen treffen. Denn Kassenärzte sind verfügbar wie Gold in einem Fluss – selten und begehrt, während Privatärzte so zahlreich sind wie Sand am Meer.

Wenn Sie sich jetzt fragen, warum das so ist, obwohl die Versorgung doch sicherzustellen ist – darauf habe ich leider auch keine Antwort, doch vielleicht eine Lösung. Denn die Kassenärztlichen Vereinigungen haben nicht nur den Auftrag, diese Versorgung sicherzustellen, sondern müssen dafür auch die Gewähr übernehmen. Doch allein das würde uns betroffene noch nicht helfen. Einen Termin in 18 Monaten ist doch auch eine Art Versorgung, oder nicht?

Darüber lässt sich sicher streiten, aber lassen Sie uns gleich zum nächsten Punkt übergehen. Diese Versorgung muss zusätzlich auch zeitnah und in angemessener Qualität geleistet werden. Zeitnah und angemessen? Beim Gedanken daran, dass »zeitnah« manchmal 18 Monate bedeuten kann und »angemessen« sich manchmal so anfühlt, als ob man mit einem Gummiband und einer Büroklammer behandelt wird, muss ich doch schmunzeln! Sollten Sie jetzt gerade vom Stuhl gefallen sein vor Lachen – keine Sorge, ich warte hier geduldig, bis Sie sich wieder aufgerappelt haben. Fertig? Gut, dann weiter im Text!

Halten Sie sich dieses Mal lieber fest. Zeitnah bedeutet hier, dass Ihnen ein Facharzt Termin innerhalb von vier Wochen zur Verfügung gestellt werden muss. Gerade beim Thema psychische Erkrankungen ist dies, aus meiner Erfahrung, absolut unrealistisch. Doch diese Regelungen bringen uns trotzdem etwas. Regelungen, die nicht eingehalten werden, bringen uns rechtlich in eine vorteilhafte Position – das Einhalten der Regeln wäre natürlich trotzdem viel besser. Doch wir müssen mit der Realität klarkommen, also lassen Sie es uns versuchen.

Plan B in der Versorgung: Wenn die GKV für Ihren Privatarzt aufkommen muss

Nun kommen wir zum Eingemachten. Die Versorgung ist trotz der Verpflichtung nicht sichergestellt? Ich traue es mich fast gar nicht zu sagen – Super! Wenn die Versorgung nicht sichergestellt ist, spricht die Rechtssprechung von einem „Systemversagen“. Es ist dieses Systemversagen, welches uns zur Verzweiflung treibt; aber das, was wir benötigen, damit die GKV für einen privaten Arzt aufkommen muss.

Aber wie stellen wir nun das Systemversagen fest? Folgen Sie diesen klaren Schritten und sammeln Sie Ihre Beweise:

  • 1. Notwendige Behandlung:
    Zunächst einmal muss die Behandlung notwendig sein. Wenn Sie eine psychische Erkrankung haben und entsprechende Symptome aufweisen, dann benötigen Sie natürlich auch eine Behandlung. Nehmen Sie das Heft selbst in die Hand!

  • 2. Lange Wartezeiten:
    Stellen Sie sich vor, Sie haben Durst, aber man sagt Ihnen, das Wasser käme erst in 18 Monaten. Klingt verrückt, oder? Wenn die Wartezeit zu lang ist, haben Sie schon mal einen guten Anfang.

  • 3. Listen, Listen, Listen:
    Sollte Ihre GKV Ihnen eine Liste mit Ärzten geben, sollten Sie diese alle durchtelefonieren. Ja, das ist mühsam. Aber denken Sie daran: Jedes Nein und jede unzumutbar lange Wartezeit ist ein Punkt für Sie! Notieren Sie sich zu jedem Arzt die Wartezeit und halten Sie fest, dass Sie proaktiv versucht haben, einen Termin zu bekommen.

  • 4. Hilferuf an die Kassenärztlichen Vereinigungen:
    Über die 116 117 erreichen Sie den Terminservice. Falls sie Ihnen keinen Termin vermitteln können, notieren Sie sich den Namen des Mitarbeiters, das Datum und die Uhrzeit. Falls sie Ihnen eine Liste geben, nun ja, dann wissen Sie ja bereits, was zu tun ist (siehe Punkt 3).

  • 5. Überweisung mit Dringlichkeitscode:
    Holen Sie sich von Ihrem Hausarzt eine Überweisung mit einem Dringlichkeitscode. Mit diesem Joker in der Hand rufen Sie die Hotline erneut an. Und sollte der Terminservice immer noch keinen zeitnahen Termin für Sie finden können, haben Sie erneut wertvolle Munition für Ihre Argumentation.

Antragstellung leicht gemacht: Nach den Hausaufgaben geht's los!

Sie stehen kurz davor, einen der wichtigsten Schritte für Ihre Gesundheit und Ihr Wohlbefinden zu tun: die Beantragung einer Kostenzusage bei der GKV. Die Vorarbeit ist getan. Sie sind gewappnet. Jetzt führe ich Sie durch den Prozess. Folgen Sie diesem Leitfaden, um Ihre besten Chancen sicherzustellen. Sie finden später noch eine Checkliste, mit welcher Sie die wichtigsten Punkte immer im Blick haben.

Hier ein mal an ganz prominenter Stelle: Die GKV hat nach Antragsstellung drei Wochen Zeit, deinen Antrag zu bearbeiten. Möchte die GKV den medizinischen Dienst einschalten, hat Sie insgesamt 5 Wochen nach Antragseingang Zeit diesen zu bearbeiten und zu beantworten. Schaft es die GKV nicht, diese Fristen einzuhalten und informiert dich nicht darüber, „gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt.“ (§ 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V)

Grundregeln

  • Höflichkeit ist der Schlüssel: Sie kennen das Sprichwort „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.“ Das ist besonders wichtig bei formellen Anträgen. Ein respektvoller Ton kann Türen öffnen.

  • Dokumentation: Sammeln Sie alle relevanten Unterlagen – von Gutachten über Krankmeldungen bis hin zu Überweisungen. Diese Dokumente bilden das Rückgrat Ihres Antrags. Und vergessen Sie nicht, Ihre Liste mit den Ärzten und den erhaltenen Antworten oder Wartezeiten beizufügen.

  • Glaubwürdigkeit: Ihre Geschichte muss überzeugen. Hier kommt der Tipp ins Spiel: Lassen Sie jemanden, dem Sie vertrauen und der Ihre Geschichte nicht so gut kennt, Ihren Antrag Korrektur lesen. Er oder sie kann Ihnen wertvolles Feedback geben, wo Sie vielleicht noch klarer oder präziser werden müssen.

Anleitung zur Antragstellung:

  1. Beginnen Sie mit einem Antrag: Beginnen Sie mit einem Antrag. Beispielsweise: „Hiermit beantrage ich, mir zuzusagen, die Kosten für die Behandlung meiner psychischen Erkrankungen durch einen Psychiater, welcher nicht vertragsärztlichen zugelassenen Arzt ist und die Kosten etwaiger durch diesen Arzt verschriebene Medikamente zu erstatten.“

  2. Kranken- und Leidensgeschichte:

    Persönliches Leid: Beginnen Sie damit, Ihre Krankheits- und Leidensgeschichte zu schildern. Es handelt sich zwar um einen förmlichen Antrag, aber es ist wichtig, dass Sie dem Empfänger deutlich machen, dass Sie nicht nur Krankheitssymptome haben, sondern darunter auch leiden. Ihre persönlichen Erfahrungen und Emotionen sind hier von zentraler Bedeutung.

    Ärztesuche: Innerhalb dieser Geschichte sollten Sie auch Ihre mühsame Suche nach einem geeigneten Arzt oder Therapeuten hervorheben. Dies zeigt dem Leser den langen Weg, den Sie bereits hinter sich haben.

    Rückblick: Wenn es für Ihren Fall zutreffend ist, können Sie hier auch erwähnen, falls Sie erst als spät diagnostiziert wurden und bereits seit längerer Zeit unter den Symptomen einer psychische Erkrankung leiden. Gehen Sie dabei auf die konkreten Auswirkungen der Krankheit auf Ihr Leben ein – seien es private oder berufliche Probleme. Bleiben Sie dabei authentisch und übertreiben Sie nicht, aber vermitteln Sie dem Leser ein Gefühl für Ihre Situation.

  3. Notwendigkeit der Behandlung: Beziehen Sie sich klar auf die zuvor beschriebene Kranken- und Leidensgeschichte. Verdeutlichen Sie, warum eine Behandlung dringend und möglicherweise schneller notwendig ist, als es die aktuelle Versorgungslage erlaubt. Stellen Sie hierbei heraus, wie diese Bedingung Ihren Alltag beeinflusst und warum ein weiteres Warten Ihrer Gesundheit und Ihrem Wohlbefinden schaden würde. Stellen Sie, wenn es zu Ihrer Situation passt, auch dar, wie Sie die fehlende Behandlung in Ihrer weiteren Entwicklung (z. B. beruflich) behindert.

  4. Kassenärztliche Versorgungslage: Ziehen Sie Parallelen zu Ihrer eigenen Geschichte und schildern Sie, warum die gegenwärtige Versorgungslage nicht ausreichend ist. Betonen Sie hierbei systemische Probleme und Mängel in der Versorgung, die es Ihnen erschweren, die benötigte Hilfe zu erhalten. Schließen Sie diesen Abschnitt, indem Sie ein »Systemversagen« in der kassenärztlichen Versorgung feststellen, wodurch Sie und nicht die notwendige Behandlung erhalten.

  5. Rechtliche Begründung: Hier haben Sie die Möglichkeit, die rechtlichen Gründe für Ihren Antrag darzulegen. Sie finden später noch ein Beispiel für eine passende rechtliche Begründung. Wichtig ist, sich daran zu erinnern, dass ich Ihnen keine professionelle Rechtsberatung gebe, sondern lediglich meine eigene Einschätzung – nach besten Wissen und Gewissen – teile. Es ist empfehlenswert, Ihre Begründung an Ihre persönliche Situation und Geschichte anzupassen, um sie stimmig und nachvollziehbar zu machen. Verknüpfen Sie ihre Begründung mit Ihrer Geschichte und der Notwendigkeit der Behandlung.

  6. Zusammenfassung: Fassen Sie die wichtigsten Punkte Ihres Antrags noch mal zusammen. Versuchen Sie sich nicht in Details zu verlieren: Sie haben vorher alles ausführlich geschildert, es geht nur darum noch mal die wichtigsten Punkte und Informationen zusammenzufassen.

Die Lösung, die dir helfen kann!

Ich weiß, das Thema Krankenkasse und Privatarzt bei psychischen Erkrankungen kann erst mal abschreckend wirken. Aber du bist hier und das ist bereits ein riesiger Schritt! Erinnere dich immer daran: Es gibt klare Regeln, wann und wie die Krankenkasse für einen Privatarzt aufkommen muss, und das Wissen darüber kann dir entscheidende Vorteile verschaffen.

Was du jetzt in der Hand hast, ist eine Art Schatzkarte. Sie führt dich durch den Dschungel der Bürokratie bis hin zur Schatztruhe – der Möglichkeit, die bestmögliche Versorgung zu erhalten, die dir zusteht.

  • Erkenne das System: Die ärztliche Versorgung durch Kassenärztliche Vereinigungen ist oft nicht so einfach. Aber es gibt Möglichkeiten, das System für dich arbeiten zu lassen, wenn du weißt, wo du hinschauen musst.

  • Sei proaktiv: Lange Wartezeiten? Listen von Ärzten, die keinen Platz mehr haben? Ja, das kann frustrierend sein. Aber jeder dieser Schritte, jede dieser Barrieren, kann dir helfen, einen Fall für die Notwendigkeit eines Privatarztes zu bauen.

  • Nutze den Plan B: Wenn alles andere fehlschlägt, gibt es immer einen Plan B. Das sogenannte »Systemversagen« kann paradoxerweise dein größter Verbündeter sein. Du musst nur wissen, wie du es für dich nutzen kannst.

  • Hol dir, was dir zusteht: Du bist bestens vorbereitet, um einen Antrag bei der GKV zu stellen und deinen Anspruch geltend zu machen. Mit all den Informationen und Tipps, die du jetzt hast, stehen die Chancen gut, dass du erfolgreich bist.

Deshalb – lass dich nicht entmutigen! Du verdienst die beste Versorgung und es gibt einen Weg dorthin. Der erste Schritt? Beginne jetzt. Nutze das Wissen, dass du aus diesem Text mitgenommen hast, und setze es in die Tat um. Für deine Gesundheit, für dein Wohlbefinden und für dich selbst. Los geht's!

Anhang

A: Checkliste für die Antragstellung

Mit dieser Checkliste haben Sie einen klaren Leitfaden, um sicherzustellen, dass Sie alle wichtigen Punkte in Ihrem Antrag abgedeckt haben. Es ist immer hilfreich, sich an eine Struktur zu halten und sicherzustellen, dass Sie nichts Wichtiges übersehen. Viel Erfolg bei Ihrer Antragstellung!

Grundregeln:

  • Höflicher und respektvoller Ton beibehalten
  • Alle relevanten Unterlagen zusammenstellen:
    • Gutachten
    • Krankmeldungen
    • Überweisungen
  • Liste der kontaktierten Ärzte und deren Antworten/Wartezeiten erstellen
  • Den Antrag von einer vertrauten Person Korrektur lesen lassen

Antragstellung:

  • Formellen Antrag formulieren, z. B.: „Hiermit beantrage ich die Kostenübernahme für ...“

Kranken- und Leidensgeschichte:

  • Persönliche Krankheits- und Leidensgeschichte schildern
  • Emotionale und persönliche Erfahrungen hervorheben
  • Suche nach einem geeigneten Arzt/Therapeuten beschreiben
  • (Wenn zutreffend) Erwähnung der Diagnose im Erwachsenenalter
  • Auswirkungen der Krankheit auf das persönliche und berufliche Leben schildern

Notwendigkeit der Behandlung:

  • Bezug zur Kranken- und Leidensgeschichte herstellen
  • Dringlichkeit der Behandlung betonen
  • Auswirkungen der Krankheit auf den Alltag darstellen
  • (Wenn zutreffend) Aufzeigen, wie die fehlende Behandlung die weitere Entwicklung behindert

Kassenärztliche Versorgungslage:

  • Persönliche Erfahrungen mit der Versorgungslage darstellen
  • Systemische Probleme und Mängel hervorheben
  • Ein Systemversagen in der Versorgung feststellen

Rechtliche Begründung:

  • Rechtliche Grundlage für den Antrag recherchieren und darlegen
  • Eigene Einschätzung basierend auf bestem Wissen und Gewissen formulieren
  • Die rechtliche Begründung an die persönliche Geschichte anpassen

Antrag einreichen:

  • Reiche den Antrag bei deiner GKV ein und lass dir eine Eingangsbestätigung dazu geben, aus welcher hervorgeht, wann du den Antrag eingereicht hast. Tipp: Eine Kopie der ersten Seite + Eingangsstempel der GKV ist dafür bestens geeignet – alternativ empfehle ich ein Einschreiben mit Rückschein.

B: Beispiel für die rechtliche Begründung

Folgend finden Sie die rechtliche Begründung für den gegebenen Anordnungsanspruch und die Dokumentation bzw. Glaubhaftmachung der unternommenen Bemühungen um die Suche nach einem Facharzt im Kassenärztlichen System. Ferner finden Sie im Anhang eine Bestätigung des Hausarztes des Antragsstellers über die „dringend“ notwendige Behandlung durch einen Facharzt (Anlage An).

A. Sachleistungsprinzip der GKV

„Die Krankenkassen stellen“ nach § 2 Abs. 1 SGB V „den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen […] zur Verfügung“. Daraus folgt, dass der Antragssteller einen Rechtsanspruch auf die Leistungen der Krankenkassen hat. Diese Leistungen werden nach § 2 Abs. 2 SGB V i. d. R. an den Versicherten als „Sach- und Dienstleistung“ erbracht.

Zusammenfassend hat der Antragssteller nach § 2 SGB V einen grundsätzlichen Rechtsanspruch auf Sach- bzw. Dienstleistungen durch die Antragsgegnerin. Die hier begehrten Leistungen (Psychiatrische Behandlung einer -Diagnose-) sind grundsätzlich reguläre Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese muss die Krankenversicherung dementsprechend im Zuge des Sachleistungsprinzips erbringen.

B. Sicherstellungsauftrag

Das Sachleistungsprinzip setzt wiederum voraus, dass die Antragsgegnerin diese durch Leistungserbringer sicherstellen kann. Hierfür hat der Gesetzgeber nach § 75 Abs. 1 Satz 1 den „Kassenärztlichen Vereinigungen und […] Kassenärztlichen Bundesvereinigungen […] die vertragsärztliche Versorgung“ als Sicherstellungsauftrag „in dem in § 73 Abs. 2 bezeichneten Umfang“ auferlegt.

Für diesen Sicherstellungsauftrag habe die Kassenärztlichen Vereinigungen gegenüber der Antragsgegnerin nach § 75 Abs. 1 Satz 1 „die Gewähr dafür zu übernehmen, daß die vertragsärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht.“ Nach § 73 Abs. 2 SGB V umfasst die vertragsärztliche Versorgung u. A. die „ärztliche Behandlung“ und die „Verordnung von Arznei[mitteln]“.

Der Sicherstellungsauftrag nach § 75 SGB V umfasst nicht nur die grundsätzliche, sondern nach § 75 Abs. 1a Satz 1 SGB V auch „die angemessene und zeitnahe Zurverfügungstellung der vertragsärztlichen Versorgung.“ Im hier vorliegenden Fall geht es um die Behandlung durch einen Facharzt. Nach § 75 Abs. 1a Satz 5–6 SGB V darf „[d]ie Wartezeit auf einen Behandlungstermin […] vier Wochen nicht überschreiten“ und „[d]ie Entfernung zwischen Wohnort des Versicherten und dem vermittelten Arzt muss zumutbar sein.“

Gemäß § 75 SGB V sind die Kassenärztlichen Vereinigungen und Bundesvereinigungen für die Gewährleistung der kassenärztlichen Versorgung zuständig. Dieser Auftrag bezieht sich nicht nur auf grundlegende ärztliche Leistungen und die Verordnung von Arzneimitteln, sondern auch auf deren „angemessene und zeitnahe“ Bereitstellung. Insbesondere im Falle einer fachärztlichen Behandlung sind weitere Kriterien wie maximale Wartezeiten von vier Wochen und eine zumutbare Entfernung zwischen dem Wohnort des Versicherten und dem behandelnden Arzt festgelegt.

C. Festellung des nicht erfüllten Sicherstellungsauftrag »Systemversagen«

Wie dargelegt ist die durch den Antragssteller begehrte Leistung Teil der definierten Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherungen, auf welche der Antragssteller einen Rechtsanspruch hat. Ferner gibt es einen Sicherstellungsauftrag durch die Kassenärztlichen Vereinigungen, welcher auch die begehrte Leistung einschließt.

I. Kontakte mit der Antragsgegnerin:

Der Antragssteller hat sich in dieser Angelegenheit mehrfach, aber nicht abschließend wie folgt beschrieben, an die Antragsgegnerin gewendet:

  1. Am dd.MM.YY bzgl. der Mitteilung, welche Ärzte die begehrte Leistung zur Verfügung stellen,
  2. am dd.MM.YY vor Ort am Standort Musterort der Antragsgegnerin, um erneut um die Mitteilung von Ärzten zu bitten, welche die begehrte Leistung zur Verfügung stellen,
  3. am dd.MM.YY vor Ort am Standort Musterort2 der Antragsgegnerin, um nach dem abgelehnten Antrag vom dd.MM. das persönliche Gespräch zu suchen.

Im Ergebnis haben die vorgeschlagenen Ärzte aus der zur Verfügung gestellten Liste (1.) keine Kapazitäten frei (Dokumentation: Anlage An). Auch Wartelisten werden aufgrund der vollständigen Auslastung nicht mehr geführt.

Eine erneute Anfrage nach einer Liste von Ärzten (2.) führte zu der Aussage, dass sich an der Auflistung (1.) keine Änderungen ergeben haben (Glaubhaftmachung: Anhang An).

Auch das persönliche Gespräch in Musterort (3.) hat keine Abhilfe geschaffen. Frau Musterfrau hat selbst festgestellt, nachdem Ihr alle Nachweise, welche auch meinem Antrag beiliegen, gezeigt wurden, dass hier ein Systemversagen vorliegt. Sie könne diese Entscheidung aber nicht fällen.

Dass diese Ärzteliste schon im Monat vom Antragssteller genutzt wurde und der Status damals grundsätzlich derselbe war wie jetzt, wird in der beiliegenden eidesstattlichen Versicherung (Glaubhaftmachung: Anhang An) erklärt.

II. Kontakte mit der Kassenärztliche Vereinigung (KV):

Ferner hat der Antragssteller auch den Kontakt mit der hier zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung gesucht. Dies zum einen mittelbar über die von der KV betriebene Terminvermittlungsstelle am dd.MM. Hierzu lag eine Überweisung des Hausarztes des Antragsstellers vor, welche mit einem Überweisungscode (Dringlichkeitscode) versehen ist (Anlage An).

Pauschal wurde durch die Mitarbeiterin erklärt, dass die KV gar keine Termine bzgl. der Behandlung einer -Diagnose- anbietet. Trotzdem hat die Mitarbeiterin sich bemüht: Sie hat im Umkreis von 100 km nach Psychiatern mit freien Terminen gesucht und zu jedem gefunden über die Webpräsenz geprüft, ob diese -Diagnose- behandeln. Keiner der gefundenen Ärzte bot -Diagnose-Behandlungen an, und ihre Webpräsenzen schlossen diese sogar explizit aus (Glaubhaftmachung: Anhang An).

Weiter hat der Antragssteller am dd.MM.YY die Bezirksstelle Musterort der KV aufgesucht. Frau Musterfrau hat den Antragssteller daraufhin gebeten, sich schriftlich an die KV zu wenden, dies erfolgte am dd.MM. Am dd.MM. und am dd.MM. wurde er daraufhin von der Terminvermittlungsstelle der KV kontaktiert. Frau Musterfrau erklärte ihm am dd.MM. erneut, dass sie nicht bei der Vermittlung eines passenden Termins weiterhelfen könnten. Ferner erklärte Sie, dass Sie den Sachverhalt nicht schriftlich bestätigen zu können.

Der Antragssteller hat daher, neben seinen eigenen dauerhaften proaktiven Versuchen seit Anfang YYYY einen Facharzt mit freien Kapazitäten zu finden, alle Möglichkeiten ausgeschöpft, welche der Gesetzgeber und die Rechtssprechung vorgesehen hat. Daraus folgt, dass hier eindeutig ein Systemversagen vorliegt, welches die KV zu verantworten hat und für welches die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragssteller die Haftung im Sinne einer Kostenzusage übernehmen muss.

D. Kostenerstattung bei nicht erfolgter Sachleistung

Im Licht der vorherigen Ausführungen und unter Berücksichtigung der folgend genannten Urteile ergibt sich ein eindeutiges Bild: Der Antragssteller hat alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft, um die erforderliche Behandlung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten. Da dies nicht möglich war, liegt ein deutliches Systemversagen vor. Nach § 13 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches V hat der Versicherte in solchen Fällen das Recht, die benötigten Leistungen selbst zu beschaffen und die dadurch entstandenen Kosten von der Krankenkasse erstattet zu bekommen.

Die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) stützen diese Ansicht.

  • So wurde im Urteil BSG vom 11.9.2014, B 1 KR 3/13, festgestellt, dass der Versicherte in Ausnahmefällen einen Anspruch auf Kostenerstattung hat, wenn die Krankenkasse die notwendige Behandlung nicht rechtzeitig zur Verfügung stellen kann.
  • Ähnlich verhält es sich mit dem Urteil BSG vom 25.9.2000, B 1 KR 5/99 R, das den Kostenerstattungsanspruch des Versicherten bei einem Systemversagen der Krankenkasse bestätigt.
  • Wichtig ist auch das Urteil BSG vom 2.11.2007, B 1 KR 14/07 R, das betont, dass der Versicherte alle erforderlichen Schritte unternommen haben muss, um sich die Sachleistung zu verschaffen, bevor er die Kosten durch die Krankenkasse getragen werden können.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, da der Antragssteller sowohl die Krankenkasse als auch die Kassenärztliche Vereinigung mehrfach kontaktiert hat, jedoch ohne Erfolg.

E. Zusammenfassung

Die Ausführungen machen deutlich, dass im vorliegenden Fall ein Systemversagen vorliegt, welches die KV und die Antragsgegnerin zu verantworten haben. Der Antragssteller hat sowohl einen grundsätzlichen Rechtsanspruch auf die geforderten Leistungen nach § 2 SGB V, als auch das Recht auf eine angemessene und zeitnahe Zurverfügungstellung dieser Leistungen gemäß dem Sicherstellungsauftrag nach § 75 SGB V. Trotz mehrfacher Kontaktaufnahme mit der Krankenkasse und der Kassenärztlichen Vereinigung wurde der Antragssteller nicht in der Lage versetzt, die benötigte Behandlung in Anspruch zu nehmen. Er hat alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft, um die begehrte Leistung zu erhalten. Weiterhin ergibt sich, wie im ersten Abschnitt beschrieben, mittlerweile eine unabweisbare Dringlichkeit der Behandlung, welche sich auch durch die Bestätigung des Hausarztes des Antragsstellers über die „dringend“ notwendige Behandlung durch einen Facharzt (Anlage An) ergibt.

Die Situation erfüllt damit alle Kriterien für ein Systemversagen im Sinne der geltenden Rechtssprechung und der gesetzlichen Vorgaben. Daraus resultiert ein Anspruch des Antragsstellers auf Kostenerstattung für die selbst zu beschaffene Leistung nach § 13 Abs. 3 SGB V. Dies wird auch durch verschiedene Urteile des Bundessozialgerichts gestützt, die in ähnlichen Fällen ein Recht auf Kostenerstattung bejaht haben. Daher ist die Antragsgegnerin angehalten, die Verantwortung für das Systemversagen zu übernehmen und die Kosten für die selbst zu beschaffene Behandlung zu erstatten.

Ferner besteht, trotz des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V, für den Antragssteller hier ein Rechtsschutzbedürfnis. Etwaige durch die Beschaffung der notwendigen Leistung anfallende Kosten sind für den Antragssteller nicht tragbar. Das Eingehen solcher Verpflichtungen in dem Bewusstsein, diese nicht erfüllen zu können, könnte den Straftatbestand des Betrugs verwirklichen. Zusammenfassend würde daher eine Ablehnung der Anträge mit Verweis auf § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V ein erheblicher Nachteil für den Antragssteller darstellen.