28 July 2023

Entgleist im Schnee der Bürokratie: Ein Bürgergeldempfänger und seine holprige Fahrt zur Umschulung im Hochsauerlandkreis.

Liebe Leserinnen und Leser,

vor kurzem konnten Sie hier über eine der, sagen wir, schwierigen Theorien von Herrn Braun lesen. Doch heute geht es wieder, getreu dem eigentlichen Ziel von Der Zaunpfahl, um eine lokale Behörde, welche sich vor Gericht mit ähnlich nicht nachvollziehbaren Worten gegen eine beantragte einstweilige Anordnung gewehrt hat.

Willkommen in der Welt des Bürgergelds und der Rechtsauffassung des Hochsauerlandkreises. Doch bevor wir in diese Welt einsteigen, sollten Sie erst mal allen Ballast abwerfen – Sie benötigen weder Gesetzestexte noch unsere Verfassung. Schnallen Sie sich nun an und bringe Sie ihren Sitz in aufrechte Position, die Reise könnte etwas holprig werden.

Mit der Transformierung des Arbeitslosengelds II oder auch Hartz IV zum Bürgergeld – wie schön der Name doch ist, auch, wenn er nicht hält, was er verspricht – hat sich nur wenig geändert. Da kann man doch mal etwas durcheinander geraten, meinen Sie nicht? Den Hochsauerlandkreis hat diese Umstellung offensichtlich kalt getroffen. Denn im Zuge dieser, fast schon unbedeutend kleinen Umstellung, wurde beim HSK offensichtlich alles alte Wissen über Bord geworfen und der Boden unseres Grundgesetzes verlassen.

Aber lassen Sie mich vorn anfangen. Bei diesem Fall geht es um einen Menschen im Bürgergeldbezug. Unverschuldet in dieser Misere gelandet, stand für ihn schnell fest, aus diesem Tief gestärkt wieder hervortreten zu wollen. So nahm er es sich zum Ziel, eine Umschulung zu durchlaufen. Anträge wurden gestellt, Begründungen wurden geschrieben, doch irgendwie muss der Zug, mit Ziel Bildungsgutschein, zwischendurch im Schnee stecken geblieben sein. Wunderlich nur, dass sich dieser Zustand bis über diesen Sommer gehalten hat.

Der zukünftige Umschüler hat zwischendurch versucht den Zug, mithilfe des Sozialgerichts Dortmund, wieder in Bewegung zu setzen. Und gerade hier, in einer Stellungnahme des HSK gegenüber dem Gericht, ist der Abwurf des Ballast, konkret unserer Gesetze und Verfassung, zum Vorschein getreten. Dabei möchte man meinen, dass auch die zuständigen Mitarbeiter des Kreises hier mehr Sorgfalt walten lassen.

Unser Umschüler ist in der hier vorteilhaften Lage, aufgrund seiner Vorgeschichte, einen Rechtsanspruch auf eine Umschulung zu haben. Im Gegensatz zum Standardfall bedeutet dies, dass so lange die notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind, die Bewilligung der Umschulung in Form eines Bildungsgutscheines keine Ermessensleistung ist. Sind die Bedingungen erfüllt und, das sind sie hier, hat der Antragsteller ein Recht auf Bewilligung. Dieses Recht kann man auch hintenrum nicht einschränken, doch, genau das hat der Hochsauerlandkreis probiert.

In der Stellungnahme zur Klage unseres Umschülers hat der HSK argumentiert, dass eine zwischenzeitliche Vermittlung unseres Protagonisten gar kein Problem ist. Dass dieser damit aber, dann keinen Anspruch mehr auf die Umschulung hat und somit hintenrum seinen berechtigten Antrag abgewehrt werden würde, lässt der Kreis leider hinten herunterfallen.

Stellen Sie sich vor, Sie sind Elternteil eines Kindes mit einer speziellen Lernbehinderung, das eine intensive, gezielte Förderung durch qualifiziertes Person benötigt, um nicht dauerhaft geistig beeinträchtigt zu werden. Sie stellen einen Antrag auf die notwendige Fördermaßnahme bei der Schulbehörde. Anstatt diesen Antrag zu genehmigen und die notwendigen Ressourcen bereitzustellen, weist die Schulbehörde an, dass eine unqualifizierte Lehrkraft in der Schule Förderstunden mit Ihrem Kind durchführt.

Ihr Kind wird dafür aus dem Klassenverband genommen und sozial isoliert. Die Förderung hat, wie allen beteiligten bewusst war, überhaupt keinen Erfolg und schädigt ihr Kind nachhaltig. Doch, da es ja jetzt eine Förderung gibt, wird ihr Antrag auf die notwendige Förderung rechtswidrig abgelehnt. Niemandem wurde geholfen, aber die Staatskasse wurde entlastet. Neben der Tatsache, dass mir genau solch eine Geschichte bekannt ist – vielen Dank an die Bezirksregierung Arnsberg dafür –, zeigt es doch deutlich, dass ein Rechtsanspruch nicht einfach mit einer Scheinlösung aus der Welt geschaffen werden kann und am Ende nur immer weitere Kosten für die Allgemeinheit entstehen.

Hier verhält es sich ähnlich, unter den richtigen Voraussetzungen hat der Gesetzgeber entschieden, dass für Menschen im Bürgergeldbezug eine Umschulung notwendig ist, um diese Person dauerhaft in den Arbeitsmarkt zu bringen. Eine Vermittlung in eine Stelle, welche regelmäßig nach der Probezeit, immer wieder, unter Beihilfe des Jobcenters, neu besetzt wird, führt über kurz oder lang, für die betreffende Person weder in eine positive Zukunft noch wird der Person geholfen. Sie verschwindet ein halbes Jahr aus der Statistik und ist dann, selbstverständlich mindestens doppelt so motiviert wie vorher, wieder im Bürgergeldbezug. Zusätzlich sind in dem hier behandelten Fall unseres Umschülers der Allgemeinheit unnötige Kosten in Höhe von über 22.000 € entstanden.

So, wir sind fast am Ziel angekommen, der Zug beginnt schon wieder abzubremsen, um in den Bahnhof einzufahren. Ich hoffe, ihnen hat diese Reise durch das Land der Rechtslosigkeit gefallen. Wenn Sie nachhaltig verstört, sein sollten und nun vielleicht gerne Unterstützung hätten, möchte ich Ihnen Folgendes, ganz im Sinne der Argumentation unserer Behörden, auf dem Weg mitgeben: „Es gibt keine Hilfe! Aber sie sind ja schon am Bahnhof ... Vielleicht sollten Sie einfach den nächsten Zug in die Ungewissheit nehmen. Aber vergessen Sie nicht eine Fahrkarte zu ziehen, denn Sie wissen ja, ein Gefängnis ist nicht nur ein Raum!“

In diesem Sinne, bis zum nächsten Mal, liebe Leserinnen und Leser.