10 November 2023

Verantwortung im Zwielicht: Der Datenschutzbeauftragte und der Sumpf der Sorglosigkeit.

„Datenschutz ist Machtkontrolle,  
Datenschutz ist Schutz des Individuums,  
Datenschutz ist Schutz der Freiheit,  
Datenschutz ist Schutz der informationellen Selbstbestimmung.“ 

— Karl Michael Betzl (deutscher Jurist, ehemaliger Landesdatenschutzbeauftragter des Freistaates Bayern)

Liebe Leserinnen und Leser,

in einem meiner ersten Beiträge im Zaunpfahl habe ich die fehlende Datensparsamkeit1 der Arnsberger Behörden offengelegt. Unter anderem aufgrund eines solchen Datenschutzverstoßens habe ich mich am 10.08.23 an den Datenschutzbeauftragten der Stadt Arnsberg gewandt. Die Rückmeldung des Datenschutzbeauftragten kam schließlich wie ein unheimliches Monster, das sich langsam aus dem trüben Sumpf der Widersprüche erhob – doch haben Sie keine Angst; gemeinsam werden wir uns dem Monster stellen.

Das neue Monster der Bürokratie, das vor uns steht, ist ein Dokument von lediglich zwei Seiten Länge – doch es ist so verwirrend wie ein Spiegelkabinett. Legt man die Seiten nebeneinander, offenbart sich ein paradoxes Schauspiel: Die Argumente auf der einen Seite scheinen die Aussagen auf der anderen Seite zu negieren, als würden sie in einem Widerspruchswettstreit gegeneinander antreten. Es ist, als ob das eine Blatt Papier nicht wüsste, was das andere tut – ganz im Sinne der Behörden selbst, bei denen die linke Hand oft nicht zu wissen scheint, was die rechte tut.

Die Inkonsistenzen in der Rückmeldung des Datenschutzbeauftragten sind nicht nur offensichtlich, sondern auch höchst beunruhigend. Auf der ersten Seite der Antwort wird die Mietbescheinigung als „die obligatorischen Belege“ klassifiziert – ein Begriff, der unmissverständlich eine gesetzliche Verpflichtung suggeriert. Diese Wortwahl lässt keinen Raum für Interpretationen; sie vermittelt eine klare Anforderung, der sich die Bürger fügen müssen – Bedeutung von obligatorisch laut Duden.

Doch dann, auf der zweiten Seite, nimmt die Geschichte eine überraschende Wendung. Hier wird uns erklärt, dass die „Nutzung [der Mietbescheinigung] freiwillig“ ist – es wird „lediglich die Möglichkeit eingeräumt, die Mietbescheinigung zum Nachweis […] zu verwenden“. Diese gegensätzlichen Aussagen stehen in direktem Widerspruch zueinander. Wie kann ein Dokument, das angeblich obligatorisch ist, zugleich freiwillig sein?

Die Definition des Datenschutzbeauftragten der Stadt Arnsberg von freiwillig scheint eine andere zu sein, als die der Allgemeinheit: Diese angebliche Freiwilligkeit wird nämlich untergraben durch den Druck des »§ 66 SGB I«2, der wie ein Damoklesschwert über den Köpfen der Leistungsbezieher hängt. Mit einer solchen Klausel wird unmissverständlich kommuniziert, dass eine Verweigerung der Mitwirkung, in diesem Fall durch das Einreichen der »freiwilligen« Mietbescheinigung, zu einer Einstellung der Leistungen führen kann.

Die Äußerungen des Datenschutzbeauftragten kann man hier daher nur als eines bezeichnen: Eine Verhöhnung der Menschen, welche auf die gesetzlich garantierten Hilfen angewiesen sind!

Doch, falls Sie, meine lieben Leserinnen und Leser, sich fragen, wofür dieses Theater veranstaltet wird, kann ich Ihnen nur eine sehr ernüchternde Antwort geben: Die Realität zeigt Ihr erschreckendes Gesicht, wenn man die mir bekannten Fällen betrachtet. In vielen Fällen landet die Mietbescheinigung einfach nur in der jeweiligen Akte. Mir liegen Berichte vor, nach denen Leistungen schlussendlich nicht nach den Angaben in der Mietbescheinigung geleistet wurden, sondern nach den vorher eingereichten Nachweisen wie Mietverträgen, Kontoauszüge und Nebenkostenabrechnungen.

Aber was bedeutet dies im Lichte des aktuellen Datenschutzvorfalls (Cyberangriff) bei der Stadt Arnsberg? Ob Daten abgeflossen, also von den Angreifern kopiert worden sind, kann bislang nicht ausgeschlossen werden3 – diese Vorgehensweise gehört normalerweise zum Modus Operandi der kriminellen Gruppe4. Falls diese Gruppe aber Daten der Bürger erbeuten konnte, sind möglicherweise auch die Daten betroffen, welche die Stadt gar nicht erst hätte erheben dürfen.

Im ersten Artikel zu diesem Thema habe ich gefragt, „[w]arum der Datenschutzbeauftragte der Stadt Arnsberg sich dieser Thematik nicht annimmt“. Jetzt möchte ich fragen, warum sich die leitenden Organe der Stadt Arnsberg diesem »vermeintlichen« Datenschutzbeauftragten nicht annehmen? Bisher scheint das einzige Thema, welchem sich diese Person verantwortlich zeigen sollte, »der Datenschutz« nicht ernst genommen worden zu sein.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen, dass Sie oder Ihre Nachbarn nicht bald Ihre bei der Stadt Arnsberg gespeicherten Daten im Darknet wiederfinden.

Bis zum nächsten Mal.


  1. Datensparsamkeit: Dieser Begriff bezieht sich auf das Prinzip, so wenig personenbezogene Daten wie möglich zu erheben und zu verwenden. Ziel ist es, nur die Daten zu sammeln, die unbedingt notwendig sind, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen oder einen bestimmten Service zu bieten. So wird die Privatsphäre der Menschen bestmöglich geschützt, indem unnötige Datensammlung vermieden wird. 

  2. § 66 SGB I einfach erklärt: Dieser Abschnitt des Sozialgesetzbuches sagt aus, dass Personen, die Sozialleistungen beantragen oder erhalten, mithelfen müssen, um ihren Anspruch zu beweisen. Wenn diese Personen die (nicht immer erlaubter Weise) angeforderten Informationen nicht liefern, kann die Behörde die Leistungen verweigern oder einstellen. Es ist eine Art rechtliche Absicherung für die Behörden, um sicherzustellen, dass nur diejenigen Hilfe erhalten, die ihre Bedürftigkeit auch nachweisen können. 

  3. https://www.spiegel.de/netzwelt/web/suedwestfalen-it-kommunen-wollen-online-erpressern-kein-loesegeld-zahlen-a-038cf064-dc1d-47a1-bc99-38a1a2f9916d 

  4. https://www.malwarebytes.com/blog/threat-intelligence/2023/05/ransomware-review-may-2023